„The Walking Dead“ ist eine Fernsehserie aus den USA, die von AMC produziert wird. Sie beruht auf dem gleichnamigen Comic von Image Comics. Nicht nur dieser Comic erlangte bald Kultstatus. Auch die Fernsehserie ist längst Kult und gleichzeitig eine der erfolgreichsten Serien aller Zeiten. Es sind wohl viele Faktoren, die das Konzept so stimmig machen. Das betrifft die Aufmachung, die Art der Umsetzung, aber auch die Handlung selbst. Oft ereilt erfolgreiche Serien ein ähnliches Schicksal wie hervorstechende Spielfilme: In der Fortsetzung wird das Niveau des Originals nicht mehr erreicht. Nicht so bei „The Walking Dead“, wie die nachfolgende Review zeigt.
Alleine in einer brutalen Welt
Die erste Staffel von „The Walking Dead“ beginnt ziemlich unspektakulär. Der Polizist Rick Grimes (Andrew Lincoln) und sein Kollege Shane Walsh (Jon Bernthal) sind irgendwo in einer amerikanischen Kleinstadt und machen gerade eine nahezu klischeehafte Pause mit Kaffee und Cheeseburgern. Die beiden sprechen über ihre relativ unspektakulären privaten Angelegenheiten, als plötzlich ein Funkspruch bezüglich einer Verfolgung per Auto durchgesagt wird, bei der beide um Verstärkung gebeten werden. Sie bauen eine Straßensperre auf und können die kriminellen Flüchtigen stellen. Jedoch kommt es dabei zu einem Schusswechsel, bei dem Rick lebensbedrohlich verletzt wird. Sein Kollege besucht ihn noch im Krankenhaus, doch Rick liegt im Koma. Die Kamera setzt nun um in Zeitraffer und fokussiert dabei den Blumenstrauch, den sei Kollege zuvor mitbrachte. Man sieht, wie dieser langsam verwelkt und die Zeit in großen Schritten voranschreitet.
Plötzlich wacht Rick jedoch auf. Es fällt erst auf den zweiten Blick auf, dass die Überwachungsmonitore nicht mehr laufen. Auch Rick ist sichtlich desorientiert. Bei dem Versuch, aufzustehen, stürzt er und ruft nach einer Krankenschwester – vergeblich. Er rappelt sich hoch, öffnet mühsam die mit einem Bett versperrte Tür zu seinem Zimmer und steht in einem leeren und verwüsteten Krankenhausgang. Er gelangt an eine Türe, an der ein Schild dringend vor dem Öffnen derselben warnt. Gleichzeitig krallen sich merkwürdige krumme Finger von innen nach außen durch den Türspalt. Mühsam kämpft sich Rick durch das verlassene Krankenhaus ins Freie. Durch den langen Zustand im Koma zunächst geblendet vom grellen Sonnenlicht, muss er auf dem Krankenhausgelände ein Chaos erleben, das die bisherigen Zerstörungen im Innern des Gebäudes in den Schatten stellen: der gesamte Platz ist voll mit Leichen, die hier abgelegt wurden.
Leichen, wohin man blickt
Wie man erkennen kann, zunächst noch in Leichensäcken, später dann immer hastiger, sodass fürchterlich entstellte und verwesende Leichen zu sehen sind. Beinahe instinktiv versucht Rick, sich nun auf den Weg zu seinem Haus zu begeben. Hier nun hat er seine erste Begegnung der besonderen Art: die Leiche einer halbierten Frau, die sich an ihren Armen zu ihm zieht. Er trifft per Zufall einen Mann mit seinem Sohn, der ihn aber zunächst ans Bett fesselt. Zwischendurch stellt sich Rick wohl dieselbe Frage, wie es zu diesem Zeitpunkt bereits viele Zuschauer getan hatten: Ist das alles nur Rick in einem Albtraum, während er umsorgt im Krankenhaus liegt? Oder soll das die Realität sein? Dann klärt ihn der Mann mit seinem Sohn auf. Eine Art Seuche hat sich in rasantem Tempo ausgebreitet. Wer infiziert ist, fällt in hohes Fieber und stirbt. Mit dem Tod ist es aber nicht getan. Vielmehr bewirkt die Krankheit, dass die Toten auf seltsame Weise wiederbelebt werden. Allerdings völlig ohne Persönlichkeit oder der Fähigkeit, denken zu können. Stattdessen sind die lebenden Toten nur getrieben von der Gier nach frischem Fleisch – dem Fleisch der Lebenden.
Überleben in einer Welt von Untoten
Das ist letztendlich die Ausgangssituation, in der sich der Deputy-Sheriff Rick plötzlich wiederfindet. Die staatliche Ordnung gibt es nicht mehr, die meisten Menschen sind bereits infiziert. Die wenigen Menschen, die jetzt noch am Leben sind, begreifen ihre Situation nicht, kämpfen beinahe instinktiv ums Überleben. Rick sorgt sich zu allem Verdruss um seine Familie, seine Frau Lori (Sarah Wayne Callies) und seinen Sohn Carl (Chandler Riggs). Er erklärt dem fremden Helfer, dass er sich zunächst in die nächste Großstadt, nach Atlanta, aufmachen würde, um dort hoffentlich seine Frau zu finden. Im Verlauf der nachfolgenden Episoden erkennt er in der Großstadt erst das wahre Ausmaß der Seuche. Tausende, ja womöglich Zehntausende lebende Tote trachten plötzlich nach seinem Fleisch. In dieser Situation lernt er erste Menschen kennen, die ihm Hilfe anbieten und sich organisiert haben. Wie ein Wunder ist es eine größere Gruppe, von denen nur einige Mitglieder in der Stadt nach Vorräten suchen, während die anderen etwas außerhalb in der schwer zugängigen Bergwelt ausharren. Bei dieser Gruppe findet Rick schließlich seine Frau und seinen Sohn.
Im Verlauf der ersten Staffel avanciert Rick zum Anführer der Gruppe, da er anscheinend der Einzige ist, der noch nicht in Hoffnungslosigkeit versunken ist. Er will unbedingt ein Seuchenkontrollcenter in der Region aufsuchen. Tatsächlich schaffen es die meisten auch dorthin, allerdings nur, um eine noch schrecklichere Wahrheit zu erfahren. Also beschließt der Rest der Gruppe, sich auf den Weg zu einer großen Militärbasis zu machen. Durch zahlreiche Zufälle landen sie dann aber in der zweiten Staffel auf der Farm von Hershel Greene (Scott Wilson). Hier genießen sie beinahe idyllisches Landleben. Doch Shane, sein ehemaliger Kollege, der auch bei der Gruppe ist und zuvor seine Frau und seinen Sohn rettete, hat sich in sie verliebt und erhebt Anspruch. Das bringt enorme Spannungen zwischen die beiden charismatischen Typen Rick und Shane. Die finalen Auswirkungen dieser Auseinandersetzung sorgen dafür, dass eine große Herde Beißer, so wie sie die lebenden Toten inzwischen nennen, auf sie aufmerksam werden. Dabei überrennen sie die Farm.
Ein erster echter Hoffnungsschimmer
Diejenigen der immer weiter schrumpfenden Gruppe, die überlebt haben, finden sich zusammen. Der Zuschauer erfährt, dass Rick die Gruppe zwischen der zweiten und dritten Staffel sicher durch den Winter brachte. Auf ihrem Weg entdecken sie ein Gefängnis, wo sie nun eine Chance auf einen Neuanfang wittern. Sie befreien alles von den Beißern, müssen aber bald feststellen, dass sich unweit vom Gefängnis auch eine andere Gruppe niedergelassen hat. Schon bald kommt es zu enormen Spannungen, bei denen sich die Menschen plötzlich gegenseitig bekämpfen. Am Ende schafft es die Gruppe um Rick, allerdings erneut mit schweren Verlusten. Dafür schließen sich viele der Menschen der anderen Gruppe an. Der „Gouverneur“ (David Morrissey), wie sich der Anführer der anderen Gruppe selbst nennt, überwindet diese Schmach jedoch nicht. Während die Menschen rund um Rick von einem tückischen Grippevirus heimgesucht werden, über den sie erfahren müssen, dass jeder den Virus in sich trägt, versucht der Gouverneur erneut, die Gruppe zu zerstören.
Die ersten Auswüchse
Die meisten können fliehen, allerdings auch dieses Mal nur unter schweren Verlusten. Außerdem ist die komplette Gruppe versprengt. Beinahe instinktiv machen sich alle auf in Richtung eines Ortes, der auf vielen Schildern als Ruhepol und ein Ort der Sicherheit beschrieben wird. Doch inzwischen sind die gesellschaftlichen Verhaltensmuster aller beteiligter Protagonisten längst abgefallen und großes Misstrauen breitet sich aus. Das soll aber nicht verhindern, dass sie, angekommen an diesem Ort, beinahe allesamt in Gefangenschaft geraten, um eine schreckliche Wahrheit über diesen Ort zu erfahren: Diejenigen, die diese „Zuflucht“ leiten, haben längst die Suche nach Vorräten aufgegeben und stattdessen andere Menschen als Nahrungsquelle erschlossen. Kannibalismus hat sich an diesem Zufluchtsort etabliert. Unter schwierigsten Bedingungen schafft es die Gruppe um Rick erneut zu fliehen. Das ist dann auch bereits der Auftakt der 5. Staffel. Zu diesem Zeitpunkt ist die Gruppe allerdings nur noch von Hoffnungslosigkeit, Aggressionen und Frust geprägt. Entsprechend zeigt die erste Hälfte dieser Staffel entsprechende Ziel- und Planlosigkeit.
Betrachtet man die Geschehnisse aller Staffeln im Zusammenhang, werden die Veränderungen deutlich, die sich mit der Zeit ergeben. Anfangs werden die Protagonisten noch in einer Zeit gezeigt, als die Seuche gerade ausbrach. Inzwischen sind viele Monate ins Land gezogen und alle Beteiligten beginnen sich langsam zu verändern – die einen schneller, die anderen langsamer. Aber auch „The Walking Dead“, die wandelnden, untoten Beißer, verändern sich zunehmend. Bei vielen ist ein fortgeschrittenes Verwesungsstadium zu sehen, außerdem wird die Gier nach Fleisch größer, denn getrieben werden die Untoten anscheinend nur von Hunger. Ein besonders raffinierter Zug ist den Autoren gelungen, indem sie nun gekonnt eingebaut haben, dass sich selbst solche Menschen verwandeln, die nicht gebissen wurden. Der Virus sitzt in jedem und wird spätestens beim Tod ausgelöst. Damit ist jeder dem anderen gegenüber eine potenzielle Gefahr.
Hoffnungslosigkeit die Realität
Genau das sind auch die wichtigen Entwicklungen, die sich staffelübergreifend fortsetzen: Die Menschen verlieren zuerst ihre Menschlichkeit. Allerdings kommt einfach kein Ausweg in Sicht, weshalb sich auch immer größer werdende Hoffnungslosigkeit ausbreitet. Dieser langsame, aber stetige Verfall der Menschen wird unheimlich gut umgesetzt. Die extrem brutalen Szenen rücken damit in den Hintergrund und werden zu dem, was sie tatsächlich darstellen sollen: Es geht nicht um möglichst blutrünstige Szenen. Vielmehr soll schonungslos ein Eindruck vermittelt werden, wie diese neue Welt plötzlich ist. Genau das ist es auch, was den Machern von „The Walking Dead“ so ausgesprochen gut gelingt – der Zuschauer bekommt das Gefühl, das es diese Welt tatsächlich gibt und dass hier nur jemand alles mit einer Kamera protokolliert haben könnte. Die Serie zeichnet sich dadurch aus, dass alles real erscheint. Es gibt keine Helden, jeder der Protagonisten ist irgendwann an einem Punkt zu sehen, wo die Menschlichkeit völlig abhanden scheint.
Zerbrechen die Menschen an der neuen Welt?
Es stellt sich durchaus die Frage, was wohl wäre, wenn so etwas tatsächlich passieren würde. Umso spannender ist es wohl, wie die Serie nun in der 5. Staffel fortgesetzt werden wird. Bisher deutet alles darauf hin, dass die Menschen noch mehr an sich selbst zugrunde gehen – und natürlich an dem wilden Tier, das in jedem von uns zu stecken scheint. Denn all diejenigen, die immer wieder als Ruhepol auftreten, überleben nicht dauerhaft. So werden die Menschen in der Gruppe um den Polizisten Rick wirklich bis zum Äußersten geprüft – dauerhaft. Dieser hohe Realitätsanspruch ist es wohl auch, der die Serie „The Walking Dead“ so extrem erfolgreich machte. Übrigens darf in der Review natürlich nicht fehlen, dass man die Serie in englischer Originalsprache gesehen haben sollte, um den Titel „The Walking Dead“ zu verstehen. Denn im Englischen werden die Untoten nicht als Beißer, sondern als „Walker“ bezeichnet, eben sich fortbewegende, wandelnde Untote. Innerhalb der Serie haben sich auch schnell besonders kultige Charaktere etabliert, die wir in der Review nicht verschweigen wollen. Das sind insbesondere die beiden Brüder Merle (Michael Rooker) und Daryl (Norman Reedus), die als Hillbillys oder Rednecks nirgends so richtig hineinpassen, aber letztendlich doch am meisten Menschlichkeit zeigen.