Am 22. Mai 2016 geht auf dem US-Fernsehsender amc die auf dem gleichnamigen Comic basierende TV-Serie „Preacher“ an den Start. Während die Comicserie in den USA seit ihrem Erscheinen in den 90er Jahren ein fester Bestand der Popkultur ist, fristet sie in Deutschland eher ein Nischendasein und dürfte höchstens Comicfans bekannt sein. Grund genug, sich einmal mit der Vorlage vertraut zu machen und einen ersten Blick auf die Fernsehserie zu werfen.
Auf der Suche nach Gott
Der Himmel ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Verschwörungen und Verrat sind an der Tagesordnung, und als ein Engel dann auch noch eine Dämonin schwängert und das übernatürliche Kind aus dieser Verbindung als göttliche Kraft den irdischen Priester Jesse Custer (man beachte die Initialen) befällt, hat Gott die Schnauze voll. Er verdrückt sich kurzerhand aus dem Himmel und überlässt diesen sowie die Menschheit dem Chaos. Das kann Jesse natürlich nicht auf sich sitzen lassen und macht sich gemeinsam mit seiner Freundin Tulip sowie dem irischen Vampir Cassidy auf einen Roadtrip durch die USA, um Gott zu finden und zur Rede zu stellen. Dabei bekommt es das Trio nicht nur mit Engeln, untoten Westernhelden und Rednecks zu tun, sondern auch mit einem fanatisch-christlichen Geheimbund, nicht nur frappierend an die katholische Kirche erinnert, sondern auch Armageddon auslösen und anschließend die Weltherrschaft an sich reißen will.
Mehr muss – und sollte – man über die Geschichte von Preacher gar nicht wissen, will man sich erstmalig mit dem Lebenswerk von Garth Ennis auseinandersetzen. Als die Comicserie Mitte der 90er Jahre auf dem Label Vertigo, der Erwachsenensparte von DC, veröffentlicht wurde, schlug sie unter den amerikanischen Comicfans ein wie eine Bombe. Mit den knallbunten und inhaltlich eher harmlosen Superheldengeschichten hatte Preacher nämlich gar nichts am Hut, stattdessen stach die Serie mit ihrer kruden Mischung aus tiefschwarzem Humor, drastischen Gewaltdarstellungen und der ständigen Gratwanderung zwischen Komik und Tragik aus der Masse der damals etablierten Comicserien deutlich hervor. Eine derart erwachsene und originelle Geschichte wurde seit Alan Moores Watchmen nicht mehr in Comicform erzählt.
Religionsfanatiker, Rednecks und Arschgesichter
Ein wesentlicher Baustein für den enormen Erfolg von Preacher waren die Charaktere, welche den eigentlichen Plot fast zur Nebensache werden lassen. Der wohl bekannteste Nebendarsteller aus Preacher dürfte dabei ein junger Mann namens Arseface sein. Dabei ist der Name eine ebenso simple wie treffende Beschreibung seines Äußeren, das er einem gescheiterten Selbstmordversuch mit einer Schrotflinte zu verdanken hat. Ebenfalls Kultstatus hat Custers Sidekick Cassidy erreicht, der kettenrauchende Vampir mit irischem Akzent, bei dem man nie sicher sein kann, ob er tatsächlich der coolste und loyalste Typ auf der Welt oder ein intriganter Verräter ist. Aber auch die Widersacher Custers, meist extrem dumme aber brutale Rednecks oder religiös verblendete Fanatiker hinterlassen einen bleibenden Eindruck in der Comicserie.
Preacher als TV-Serie – Kann das funktionieren?
Die ambivalenten Charaktere und der schwarze Humor, gepaart mit einer durchaus religionskritischen, man könnte fast sagen blasphemischen Prämisse machen Preacher zu einer stets unberechenbaren Geschichte. Es gibt Szenen in der Comicserie, bei denen man als Leser kaum glauben kann, dass sich der Autor das getraut hat. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Szenen dem Publikum einer TV-Serie tatsächlich zuzumuten sind. Angesichts der am 22. Mai 2016 startenden TV-Serie stellt sich nun also die berechtigte Frage, ob das gut gehen kann. Zumal amc anders als beispielsweise HBO oder Netflix kein cable-Sender ist und deshalb keine völlige Narrenfreiheit bei der Umsetzung der wahnwitzigen Vorlage hat.
Mut macht allerdings der Erfolg der TV-Serie The Walking Dead, die ebenfalls bei amc läuft. Auch hier scheint der Sender die Handbremse eher locker zu lassen und der Vorlage gerecht zu werden. Der Unterschied zwischen Preacher und The Walking Dead liegt allerdings darin, dass Preacher nicht wegen der eigentlichen Gewaltdarstellungen so hart wirkt, sondern aufgrund des tiefschwarzen und sarkastischen Humors. Gerade deshalb gab es zwar über die Jahre immer wieder Versuche, Preacher zu verfilmen, die jedoch alle bereits nach kurzer Zeit eingestellt wurden.
Erste Details stimmen optimistisch
Entsprechend groß war auch die Skepsis, als ausgerechnet Seth Rogen ankündigte, Preacher als TV-Serie verfilmen zu wollen. Mittlerweile ist unter den Fans vor allem durch den Trailer sowie einen weiteren Teaser echte Vorfreude aufgekommen. Denn die TV-Serie scheint sich beim Aussehen der Charaktere und der Hintergrundgeschichte zwar einige Freiheiten genommen, die Stimmung und Kompromisslosigkeit der Vorlage jedoch gut eingefangen zu haben.
Auch der Cast kann sich durchaus sehen lassen. Neben Dominic Cooper in der Titelrolle als Jesse Custer sind unter anderem Jackie Earle Haley (Watchmen) als schmieriger Großunternehmer und Ian Colletti als Arseface zu sehen. Auch die Reaktionen auf eine Pressevorführung der ersten Folge sind sehr positiv ausgefallen. Seth Rogen scheint es also tatsächlich gelungen zu sein, die sehr eigene und komplexe Vorlage in einer funktionierende TV-Serie übersetzt zu haben. Ob die komplette erste Staffel mit ihren zehn Folgen diesem Eindruck auch gerecht werden wird, wird sich in diesem Sommer zeigen, Preacher startet am 22. Mai 2016 auf amc. Ein Termin für eine deutsche TV-Ausstrahlung steht jedoch noch nicht fest.